10 Jahre Föderalismusreform in der Strafvollstreckung – „Ein falscher Schritt“

In der Strafvollsteckung gilt: Allein die Bundesländer und nicht mehr der Bund sind für den Strafvollzug zuständig. Jedes Bundesland kann seine eigene Vorstellung zum Vollzug unbedingter Freiheitsstrafen umsetzen.

In Bayern gilt, vereinfacht ausgedrückt der Grundsatz:

Sperrt diese Straftäter weg und lasst sie am besten nie wieder raus.

Das ehemalige Vollstreckungsziel der Resozialisierung durch den Vollzug von Freiheitsstrafe steht nur noch einer nachgeordneten Stelle.

Wer aus dem Gefängnis entlassen wird, ist oft wieder bald drin.

Die aktuelle bundesweite Rückfalluntersuchung des Bundesjustizministeriums bestätigt: Jeder zweite Straftäter wird innerhalb von neun Jahren wieder rückfällig.

Das bedeutet: die Resozialisierung funktioniert nicht.

Dabei wurde sie per Bundesgesetz 1977 als oberstes Ziel des Strafvollzugs festgelegt. Das änderte sich jedoch im Jahr 2006 im Zuge der Föderalismusreform. Seither ist die Regelung des Strafvollzugs Ländersache. 14 von 16 Bundesländern haben nun ihre eigenen Regelungen.

Weblink: BayStVollzG

Die meisten Länder änderten den Fokus, weg von der Resozialisierung hin zum Schutz der Allgemeinheit. „Dagegen ist prinzipiell nichts einzuwenden“, sagt Kriminologe Helmut Kury. „Aber ewig wegsperren kann auch nicht die Lösung sein.“

Ob ein Strafgefangener auf seine Entlassung aus dem Strafvollzug vorbereitet wird ist reine Glückssache. Der Strafvollzug sollte wieder Sache des Bundes werden. Doch der Strafvollzug ist nicht Gegenstand der öffentlichen Diskussion und deshalb politisch uninteressant.

„Die Justiz will einfach nicht über ihre Grundlagen nachdenken“, sagt JVA-Leiter Galli. Er ist nicht gegen Bestrafung im Allgemeinen. Es geht ihm um das Wie. Obwohl Galli als Anstaltsleiter selbst Teil des Systems ist, spricht er sich gegen die reine Verwahrung von Gefangenen aus. Diese These vertritt er auch in seinem Buch. Was die Justizministerien davon halten, haben sie deutlich gemacht. Seine Lesungen in JVAs in Sachsen und Bayern sagten die zuständigen Behörden kurzfristig ab.

Der Staat gibt für den Strafvollzug jährlich etwa vier Milliarden Euro aus. Viel Geld, vor allem wenn das oberste Ziel misslingt: die Resozialisierung.

Das bayerische Justizministerium weist diesen Vorwurf zurück. „Übergangsmanagement“ nennen sie ihren Beitrag zur Resozialisierung der Gefangenen, also die Vorbereitung auf die Entlassung aus der JVA.

 

 

 

Theorie und Wirklichkeit

Fischer im Recht

„Strafvollzug

Bürokratie. Abgewetztheit. Entpersönlichung. Vorschriften für alles, gegen alles. Gibt es keine Verwaltungsvorschrift, gibt es kein Problem. Keine Ausnahmen, außer für potenziell alles. Verwaltung von Menschen, als seien sie Sachen. Strafe: nichts wert sein. Warten, warten, warten, auf alles. Auf die Zuteilung von Zeit und Chancen. Von ein bisschen Freiraum.

Und wer ist noch hier? Unsereins, und ein paar andere. Dumme Menschen, ungebildete Menschen, zerstörte und zerstörerische. Wert ist: Kraft, Gewalt, Coolness, Nervenstärke, wie auch immer.

Alle warten. Auf den Umschluss, auf den Aufschluss, auf den Arzt, auf den Besuch, auf die Halbstrafe, auf nächsten Monat, auf morgen. Keiner hat gelernt zu warten.
95 Prozent Kumpels ohne jede Kompetenz in Planung, Erfolg, Eigenständigkeit, Enttäuschungsverarbeitung. Menschen von unvorstellbar primitivem Charakter, die sich als Herren des Duschraums oder des Aufschlusses fühlen. Und die gewinnen.
Subutex, Alkohol, Heroin, Crystal, Ecstasy, Amphetamin. Abhängigkeit überall, mal weinerlich, mal gewalttätig, mal selbstgewiss. Schweiß. Gestank. Lautstärke. Bodybuilding, Käsefüße, Im-Kreis-Rennen, Sex – oder was dafür gehalten wird.“

(Fischer im Recht / Schuld und Sühne IV in ZeitOnline vom 5.4.2016)

Es stellt sich die Frage, ob er es auf den Punkt bringt oder nicht.